Die Verteidigungspraxis im verkehrsrechtlichen OWi-Verfahren hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte, die Diskussion um Rohmessdaten sowie die Entwicklungen rund um die bestimmungsgemäße Verwendung nach dem MessEG haben die Anforderungen an eine sachgerechte Verteidigungsstrategie deutlich geschärft.
Gleichzeitig beobachten wir weiterhin dieselbe Grundtendenz in der forensischen Praxis: Von Verteidigern wird häufig erwartet, technische Details einzelner Messgeräte zu beherrschen oder den Messwert selbst „nachrechnen“ zu lassen – eine Erwartung, die in der überwiegenden Anzahl der Fälle weder realistisch noch verfahrensstrategisch sinnvoll ist.
Vor diesem Hintergrund bieten wir im ersten Quartal 2026 eine neue, zweistufige Online-Seminarreihe an, die sich bewusst von klassischen Geräteschulungen absetzt. Die Teilnahme ist kostenfrei, umfasst zwei Termine à 2,5 Stunden (insgesamt 5 Zeitstunden) und ist als Fortbildung gemäß § 15 FAO geeignet.
Ein neuer Ansatz für die Verteidigung im OWi-Verfahren
Die zentrale Frage lautet nicht:
„Kann der Messwert bestätigt oder widerlegt werden?“
Sondern:
„Welche formellen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Messwert überhaupt verwertbar ist – und wie kann ich als Verteidiger diese Voraussetzungen prüfen und angreifen?“
Der neue Seminarblock vermittelt genau diesen Perspektivwechsel. Statt technischer Detailkenntnisse einzelner Messgeräte steht die strukturelle Verteidigungsarchitektur im Mittelpunkt:
Warum die materielle Überprüfung des konkreten Messwerts in den meisten Fallkonstellationen nicht möglich ist,
weshalb die juristisch maßgebliche Ebene die formelle Prüfung nach dem MessEG und den PTB-Vorgaben ist,
und wie die bestimmungsgemäße Verwendung zum zentralen Anknüpfungspunkt einer erfolgreichen Verteidigung wird.
Wir zeigen anhand typischer Aktenlagen, Messstellen und Verfahrensabläufe, wie sich aus diesen formellen Angriffspunkten substanzielle Verteidigungsansätze entwickeln lassen und welche Rolle ein Sachverständigengutachten dabei spielt.
Unser Ansatz: Die formelle Prüfung setzt den Rahmen für technische Detailtiefe
Die entscheidenden Einfallstore für die Verteidigung liegen nicht in der physikalischen Tiefe der Messverfahren, sondern in der Frage, ob die Messung tatsächlich den normativen Anforderungen entsprach.
Dazu gehören insbesondere:
die bestimmungsgemäße Verwendung (§ 33 MessEG),
die Einhaltung der Gebrauchsanweisung einschließlich aller einschränkenden Betriebsbedingungen,
die vollständige und prüffähige Bereitstellung der relevanten Messunterlagen,
Verstöße gegen diese formellen Bedingungen einer ordnungsgemäßen Messung werden dann mit technischem Detailwissen konkretisiert. Dieser Ansatz führt in der Praxis zu deutlich strukturierten und argumentativ belastbaren Verteidigungskonzepten – unabhängig davon, welches Messgerät eingesetzt wurde.
Ziel der Seminarreihe
Die beiden Veranstaltungen vermitteln ein kumulatives Verteidigungsmodell, das Verteidiger unmittelbar in ihrer täglichen Praxis anwenden können:
Grundlagenmodul:
Struktur der Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung
Formelle vs. materielle Prüfungsdimension
Angriffskategorien für die Verteidigung
Rolle des Sachverständigengutachtens im OWi-Verfahren
Anwendungsmodul:
Systematische Aktenanalyse
Identifikation und Nutzung von Einfallstoren
Antragstechnik und Umgang mit gerichtlichen Standardargumenten
Einsatz des Gutachtens in der HV
Beispiele aus realen Fällen
Ziel ist, Verteidigern ein praxisorientiertes Arbeitsmodell an die Hand zu geben, das ohne technische Detailkenntnis auskommt und dennoch klare, nachvollziehbare und erfolgversprechende Verteidigungsoptionen eröffnet.
Terminblock und Anmeldung
Die Seminarreihe umfasst zwei Online-Termine, jeweils 2,5 Stunden, und ergibt damit die für FAO-Fortbildungen relevanten 5 Zeitstunden.
Die Teilnahme ist kostenfrei.
MELDEN SIE SICH GLEICH AN. Die Plätze sind begrenzt.
Mit diesem Seminarblock möchten wir einen Beitrag dazu leisten, die Verteidigungspraxis im OWi-Verfahren wieder stärker an den juristischen Grundlagen auszurichten. Die Kombination aus formeller Prüfung, systematischer Fehleranalyse und gezieltem Einsatz des Sachverständigen eröffnet realistische und wirksame Verteidigungsmöglichkeiten – auch dort, wo eine materielle Überprüfung des Messwerts strukturell ausgeschlossen ist.
Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme und den fachlichen Austausch.