In der aktuellen Fassung (Stand: 06.04.2016) der PTB-Stellungnahme zum Urteil des AG Meißen wird einmal mehr versucht, jeden Zweifel am Messgerät ES3.0 auszuräumen.
Tatsächlich werden die bestehenden Zweifel jedoch noch verstärkt. Denn neben grundsätzlichen Verständnisschwierigkeiten, was die Begrifflichkeit der Korrelation angeht, offenbart die PTB auch Versäumnisse im eigenen Prüfverfahren und dem Auftreten nach außen.
Die folgende wörtliche Passage (Markierungen nachträglich eingefügt) aus der Stellungnahme spricht für sich:
"In der Vergangenheit wurde der Schwellwert für den Korrelationsgrad – auch von der PTB – des Öfteren fälschlicherweise mit 95 % angegeben. Dieser Wert diente allerdings in erster Linie der Veranschaulichung der Funktionsweise der Filteralgorithmen und wurde so von Seiten des Herstellers öffentlich kommuniziert. Eine nähere Prüfung dieses Wertes wurde von der PTB als nicht notwendig erachtet, da ihr bisher kein einziger Fall bekannt ist, bei dem es unter Verwendung einer der zugelassenen Softwareversionen zu einer unzulässigen Messwertverfälschung kam. Die PTB hat die aktuellen Diskussionen zur Verschlüsselung der Rohmessdaten auf den Internetseiten verschiedener Sachverständigenorganisationen jedoch zum Anlass genommen, diesen Wert noch einmal im Detail zu prüfen. Hierbei wurde anhand des Quellcodes für den Korrelationsgrad ein Wert von 92 % verifiziert. An dieser Stelle ist zu betonen, dass die abweichende Angabe zum Korrelationsgrad keinerlei Auswirkungen auf die Korrektheit der mit dem o. g. Gerät durchgeführten Messungen hat. Im Rahmen der zahlreichen betrieblichen Prüfungen, die mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät ES3.0 im Zuge der Erteilung der innerstaatlichen Bauartzulassung bzw. der Neufassungen und Nachträge durchgeführt wurden, wurde sichergestellt, dass das o. g. Gerät die Helligkeitsverläufe einer jeden Fahrzeugvorbeifahrt korrekt bewertet und die Fehlergrenzen von ± 3 km/h bzw. ± 3 % stets einhält."
Bereits vor Verschlüsselung der Rohmessdaten (ab Softwareversion 1.007) wurden durch sachverständige Bewertung nachweislich Abweichungen von mehreren km/h gefunden. Die Aussage, dass "kein einziger Fall bekannt" war, in dem es zu Verfälschungen kam, ist also entweder unwahr oder zeugt davon, dass die PTB in den vergangengen Jahren ein Messgerät verteidigt, ohne sich mit den in der Zwischenzeit festgestellten Erkenntnissen auseinandergesetzt zu haben.
Das hält die PTB indes nicht davon ab, beispielsweise in ihrer dienstlichen Erklärung vom 12.01.2016 zum Urteil des AG Meißen an zwei Stellen die Kompetenz des dortigen Sachverständigen mit einem Zahlenwert in Frage zu stellen, ohne diesen Wert überhaupt überprüft zu haben.
Weitere Spekulationen über die Sorgfalt bei der Erstellung dienstlicher Stellungnahmen und deren Wahrheitsgehalt erübrigen sich damit eigentlich.
Äußerst fraglich ist auch, wie die PTB sicherstellen kann, dass absolut ausgeschlossen ist, dass es zu Messwertverfälschungen kommt (Zitat: "einer jeden Fahrzeugvorbeifahrt korrekt bewertet"), wenn sie nicht einmal den ihrer Meinung nach ausschlaggebenden Beurteilungskriterium eines Korrelationsgrades von 92% kannte.
Weiterhin offenbart die PTB einmal mehr mangelndes Verständnis vom Messverfahren, wenn sie sich zwar auf 13 Seiten wiederholt zum Urteil aus Meißen auslässt, aber sich zu den zielführenden Fragen bezüglich des ES3.0 ausschweigt.
Denn auch wenn den interessierten Verfahrensbeteiligten mittlerweile die grundsätzliche Funktionsweise des Messystems bekannt sein sollte, kann man doch nicht häufig genug auf einen ganz entscheidenden Punkt hinweisen:
Bei der Bestimmung des zeitlichen Versatzes der aufgezeichneten Signalverläufe kommt es für die Aussagekraft des Korrelationsgrades (70%, 95%, 92% ?!) fundamental darauf an, wie lang die verglichenen Signalverläufe sind.
Denn je kürzer, desto eher wahrscheinlich ist eine Übereinstimmung und desto weniger Aussagekraft hat ein hoher Korrelationsgrad/Gütefaktor/Korrelationskoeffizient.
Welche Signalteile der ES3.0 für die Geschwindigkeitsermittlung tatsächlich hinzuzieht ist nicht bekannt.
Das ist aber auch nicht notwendig und in der ganzen Diskussion um die Firma eso tatsächlich eine Information, die man dem Geschäftsgeheimnis der Firma eso zuordnen könnte.
Hat ein Sachverständiger jedoch Zugriff auf die unverschlüsselten Rohmessdaten (was nun wieder der Fall ist, wie im letzten Newsletter berichtet), so kann er eine eigene Bewertung der Messung durchführen. Er kann die nach seiner sachverständigen Meinung geeigneten Signalteile in seine Korrelationsrechnung einfließen lassen und seine Ergebnisse nachvollziehbar dem Richter präsentieren.
Ob die Firma eso dann in eine Diskussion einsteigen will, ist ihr überlassen.
Ob die PTB sich in einer solchen offenen Diskussion zu einer fundierten, klärenden Stellungnahme durchringt, wenn alle Fakten auf dem Tisch sind, bleibt ihr überlassen.
Ob das Gericht jedoch der Auswertung der Firma eso oder der eines Sachverständigen folgt, ist allein ihm überlassen.