23.08.2016
Verweigerung der Messdatei an Betroffene – ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG?


Immer wieder erhalten wir ablehnende Antworten auf unsere Dateianforderungen oder erhalten in PoliScan-Fällen von einigen Bußgeldstellen lediglich die verschlüsselten tuff-Dateien ohne Token und Passwort. Weder sind sich die Verwaltungsbehörden hier bundesweit über eine Vorgehensweise einig, noch scheinen sich die Bußgeldstellen intern auf eine Richtung einigen zu können. So erhalten wir bei der VUT auch von ein und derselben Verwaltungsbehörde mal eine komplett erfüllte Anforderung, mal einen ablehnenden Bescheid und ein anderes Mal eine unvollständige Beantwortung.

Zur Herausgabe dieser Messdaten und der dazugehörigen Schlüssel gibt es drei aktuelle OLG-Entscheidungen, die sich im Rahmen von Rechtsbeschwerden mit der Thematik auseinandersetzen.

Im Fall des Beschlusses vom OLG Celle (Beschluss vom 16.06.2016 1 Ss (OWi) 96/16) hat weder die zuständige Verwaltungsbehörde noch das Gericht dem Betroffenen die Messdatei zugänglich gemacht. Der Senat legt hier dar, dass bereits die Entscheidung der Verweigerung des Zugriffs auf die Rohmessdaten eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) darstellt. Selbst wenn die Messdatei als solche nicht Bestandteil der Akte sei, so müsse sie dem Betroffenen auf Antrag zur Verfügung gestellt werden, denn nur so kann der Betroffene selbst oder ein durch ihn beauftragter Sachverständiger die Ordnungsmäßigkeit der Messung prüfen. Der Senat führt dazu aus:

Dass es sich bei der angewendeten Messmethode um ein standardisiertes Messverfahren handelt, steht dem [der Überprüfung] nicht entgegen. Gerade weil bei einer solchen Messmethode das erkennende Gericht nur zu einer weiteren Aufklärung und Darlegung verpflichtet ist, wenn sich Anzeichen für eine fehlerhafte Messung ergeben, muss dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet sein, solche Fehler substantiiert vortragen zu können. Hierfür ist er auf die Messdaten angewiesen.“

Damit zeigt sich, dass die Aufgabe des Sachverständigen darin besteht, die einzelne Messung so zu prüfen, dass diese im standardisierten Messverfahren nicht als gegeben und plausibel hinzunehmen ist, sondern Fehler so substantisiert vorgetragen werden können, dass der Beweisantrag der Verteidigung gerade nicht „ins Blaue“ gestellt wird.

Sogar in einem die Rechtsbeschwerde aus anderen Gründen ablehnenden Beschluss des Brandenburgischen OLG (Beschluss vom 29.12.2015 (1 Z) 53 Ss-OWi 620/15 (307/15) erklärt der Senat in seinem Hinweis zur Herausgabe von Messdateien, dass die digitale Messdatei Grundlage sowie originäres und unveränderliches Beweismittel der Geschwindigkeitsmessung sei und dem Betroffenen vor dem Prozess auf dessen Wunsch zugänglich zu machen sei. Außerdem habe der Betroffene Anspruch darauf, auf eigene Kosten vorgerichtlich die Ordnungsmäßigkeit der Messung zu prüfen.

Würde man ihm [dem Betroffenen] keine oder auch nur verschlüsselte Messdaten zur Verfügung stellen, befände sich der Betroffene in einer juristisch unauflösbaren Situation, was wenigstens gegen Art. 103 [Abs.1] GG verstieße.“

Auch das Brandenburgische OLG bezieht sich dann noch einmal auf die Möglichkeit mit den eingesehenen Messdaten eine Auswertung durch einen Sachverständigen vornehmen zu lassen, um Beweisanträge oder Beweisanregungen in der Hauptverhandlung vorbringen zu können.

Der Beschluss des OLG Oldenburg (Beschluss vom 06.05.2015 2 Ss (OWi) 65/15) auf welchen sich die beiden jüngeren Beschlüsse im Grunde beziehen, führt aus, dass der Verteidigung alle Dateien zugänglich gemacht werden müssen, die zur Überprüfung der Korrektheit der Messung erforderlich sind.

Damit bestätigen die OLG-Beschlüsse, dass:

Für die Verteidigung ist wichtig, dass die Messdatei schon vor dem gerichtlichen Verfahren begehrt wird (verspäteter Beweisantrag).