In der Vergangenheit wurde immer wieder bemängelt, dass die Einhaltung von Vorgaben im OWi-Verfahren, egal aus welcher Quelle (Gebrauchsanweisung, ministerielle Erlasse, PTB-Zulassung), nicht zu kleinlich erfolgen sollte.
Ein aktueller und sehr lesenswerter Beschluss des AG Weilburg (Beschl. v. 20.03.2017, Az.: 40 Owi 6 Js 4852/16) belehrt uns nun eines Besseren: genaues Hinschauen lohnt sich. Denn die Einhaltung rechtsstaatlicher Vorgaben ist kein Selbstläufer, sondern muss immer wieder einer justiziellen Kontrolle zugeführt werden.
Das musste wohl auch die Vorsitzende im Weilburger Verfahren feststellen, denn die Willkür, mit der die Behörde hier vorging, ist kaum noch als rechtsstaatliches Handeln einzuordnen. Während das Ausmaß der Verstöße erst bei der kompletten Lektüre des 11-seitigen Beschlusses offenbar wird, sollen hier nur ein paar Zitate zur Veranschaulichung aufgeführt werden:
- "Diese Vorgaben wurden im vorliegenden Fall in eklatanter Art und Weise nicht eingehalten. Weder hat der Marktflecken Weilmünster die Messung als hoheitliche Maßnahme selbst durchgeführt, noch haben seine Beamten die erforderlichen Überprüfungen und Überwachungen durchgeführt. Es bestehen zudem erhebliche Bedenken, ob die Beamten hierzu aufgrund fehlender Sachkenntnis überhaupt in der Lage gewesen wären."
- "Das vorliegende Verfahren basiert aber nicht nur auf einer rechtswidrig ausgeführten und ausgewerteten Messung, sondern wurde auch im Weiteren mit derartigen Rechtsverstößen begleitet, dass von einem willkürlichen Handeln unter bewusster Missachtung der geltenden Bestimmungen auszugehen ist."
- "Das Regierungspräsidium hat die beteiligten Messbeamten der Gemeinde geprüft und kommt zu dem Ergebnis, dass mangels ausreichender Sachkenntnis bezweifelt werden darf, dass das Messpersonal den Aufbau der Messung überhaupt auch nur überprüfen konnte."
- "Das Gericht muss dabei nach aktuellem Wissensstand von einem willkürlichen und bewusst regelwidrigem Verhalten der Gemeinde Weilmünster ausgehen."
- "Das Gericht ist inzwischen überzeugt, dass von den Zeugen nur eingeräumt wird, was bereits anderweitig bewiesen ist."
- "Stattdessen musste das Gericht feststellen, dass auch bei aktuelleren Geschwindigkeitsverstößen weiterhin Widersprüche zwischen dem von den Zeugen bekundeten und den anderweitig bekannten Tatsachen bestehen."
Den Beschluss finden Sie wie immer zum Download in unserer Mediathek.
Die Relevanz dieser Entscheidung sollte nicht unterschätzt werden, darf sich doch der Staat nicht in die Gefahr begeben, seine Bürger willkürlich zu sanktionieren. Denn wie es auch im Weilburger Beschluss treffend ausgeführt ist:
"Würde in diesem Rechtsgebiet nun gelten, dass die Ordnungsbehörden sehenden [...] Auges alle Vorgaben von Verfassung und Gesetz [...] ignorieren könnten und dennoch die so erhobenen Beweise zu Lasten des Betroffenen verwertet würden, könnte dies im Ergebnis die Akzeptanz des staatlichen Verfolgungsanspruchs in Bußgeldsachen insgesamt beschädigen."
Für die Verteidigung bleibt es bei der oft zitierten Empfehlung, sich genau mit der ministeriellen Erlasslage und der behördlichen Ablaufgestaltung zu befassen, wenn Privatanbieter in die Verkehrsüberwachung eingebunden sind.