Bisher gingen wir, wie wohl auch alle anderen Verfahrensbeteiligten, davon aus, dass jedes im amtlichen Verkehr eingesetzte Messgerät individuell und zweifelsfrei identifizierbar ist, nämlich anhand der Gerätenummer.
Auf diese Gerätenummer beziehen sich beispielsweise die allermeisten Messprotokolle. Auch und vor allem jedoch stellt die Gerätenummer die Verbindung zwischen Eichschein und einzelnem Messgerät her.
Bei Recherchen in unserer hausinternen Messgerätedatenbank ist jedoch ein Fall aufgetaucht, der diese Verknüpfung in Frage stellt.
Anhand der folgenden Bilder ist eindeutig feststellbar, dass das Messgerät ES3.0 mit der Seriennummer 5605 (zu erkennen jeweils links oben im Bild) zeitgleich bei zwei verschiedenen Messungen eingesetzt wurde.
Messung aus Göttingen
Messung aus Kaiserslautern
Anhand der Messprotokolle, die in beiden Fällen vorliegen, ist ersichtlich, dass in Göttingen am 07.04.2017 von 06:45 Uhr – 17:55 Uhr mit dem Gerät 5605 gemessen wurde. In Kaiserslautern war das Gerät 5605 jedoch ebenfalls am 07.04.2017 im Einsatz und zwar ab 12:33 Uhr bis zum 10.04.2017 um 11:15 Uhr.
Da ein Gerät kaum zur gleichen Zeit an zwei Orten sein kann, ist hiermit nachgewiesen, dass die Seriennummer 5605 zweimal vergeben worden ist.
Die in den Akten befindlichen Eichscheine, jeweils ausgestellt vom Eichamt Ravensburg, wurden einmal auf Antrag des Landkreises Göttingen und einmal des Polizeipräsidiums Rheinpfalz ausgestellt. Sie lauten ebenfalls beide auf die Gerätenummer 5605. Offensichtlich ist dem Eichamt nicht aufgefallen (bzw. schien nicht weiter prüfenswert), dass eine Seriennummer doppelt vergeben werden sollte.
Weiterhin ist dem Eichamt nicht aufgefallen (oder war egal), dass diese zwei Messgeräte mit identischer Seriennummer über zwei verschiedene öffentliche Schlüssel verfügen:
Vergleich Schlüssel: Göttingen - Kaiserslautern
In der "PTB-Stellungnahme zur Frage der Manipulierbarkeit signierter Falldateien Ausgabe Dezember 2013" heißt es:
Für die Signaturprüfung wird neben dem zugelassenen Referenz-Auswerteprogramm und der zu prüfenden Falldatei der zum geheimen Schlüssel zugehörige öffentliche Schlüssel benötigt. Der Eichbeamte registriert bei der Ersteichung eines jeden Messgerätes den zugehörigen öffentlichen Schlüssel. Er ist auch für die Verwaltung der von ihm registrierten öffentlichen Schlüssel verantwortlich. In Zweifelsfällen kann daher ein Gutachter über das zuständige Eichamt rekonstruieren, welcher öffentliche Schlüssel tatsächlich zu dem betrachteten Messgerät gehört.
Der Eichbeamte hat also den öffentlichen Schlüssel zu "verwalten". Es könne anhand dieses Schlüssels dann rekonstruiert werden, welcher öffentliche Schlüssel zum jeweiligen Messgerät gehört.
Dies ist hier nicht möglich, denn welchen Schlüssel hätte denn der Eichbeamte übersenden sollen, wenn nach dem Messgerät 5605 gefragt worden wäre?
Wenngleich das Konstrukt des Direct Trust ohnehin äußerst kritisch zu sehen ist, so kann es ganz praktisch jedoch nur funktionieren, wenn sorgfältig gearbeitet wird. Diese erforderliche Sorgfalt ist vorliegend weder auf Seiten des Geräteherstellers noch des Eichamtes Ravensburg zu erkennen.
Als Fazit ist der Hersteller dringend aufzufordern, offen und transparent eine Prüfung auf mögliche weitere Dubletten in den Seriennummern durchzuführen und das Ergebnis zu veröffentlichen. Die Fehler sind dann selbstverständlich auszuräumen.
Das Eichamt muss in jedem Fall klar demonstrieren, wie es solche Fehler zukünftig ausschließen will und dies selbstverständlich nicht nur bei Geräten der Firma eso, sondern auch bei allen anderen Messgeräteherstellern.
Wir jedenfalls nehmen diese Erkenntnisse zum Anlass, noch intensiver und unter Nutzung der uns zu Verfügung stehenden Datenbanken, die Korrektheit amtlicher Beweisführung in jedem Einzefall zu untersuchen und eben diese Korrektheit (z. B. beim Führen der Verwendernachweise nach § 31 MessEG) auch einzufordern.