15.03.2018
Jenoptik bleibt sich treu


Derzeit ist das Messgerät TraffiPhot III der Firma Jenoptik Robot GmbH in aller Munde.

Unklarheiten über die Anforderungen an eine Messstelle verunsichern Anwender und Betroffene. Der Hersteller beruft sich darauf, dass es keine Beeinträchtigung der Messsicherheit gebe. Der Umgang mit den Unklarheiten reiht sich jedoch in eine lange Reihe von Unregelmäßigkeiten ein, die der Glaubwürdigkeit des Herstellers nachhaltig schaden.

Was genau ist passiert?

Ein Sachverständiger hatte aufgedeckt, dass in Wuppertal die Induktionsschleifen einer Rotlichtüberwachungsanlage nicht gemäß der Aufbauanleitung installiert worden waren. In Zuge seiner weiteren Untersuchungen fiel ihm auf, dass es mehrere Versionen der Aufbauanleitung mit der gleichen Versionsnummer (TRAFFIPAX/95/201/07.12.05/C) und dem gleichen Datum (07.12.2005) gibt.

Dies zeigt, dass es unabhängig davon, ob der Abstand zwischen den Induktionsschleifen einen konkreten Einfluss auf die Messgenauigkeit hat, im Kern um Fragen des Zulassungsrechts geht.

In der einen Version der Aufbauanleitung heißt es

„Der Abstand benachbarter Induktionsschleifen sollte 1,20 m sein“

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

In der anderen Version heißt es

Der Abstand benachbarter Induktionsschleifen muss 1,20 m sein

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

Die erste Version befindet sich zusammen mit der Gebrauchsanweisung und der Prüfsoftware auf einer sogenannten EichCD, die die Eichämter gemäß Eichrichtlinie für die Eichung benutzen müssen. Der Inhalt der EichCD wurde am 14.12.2012 durch die 4. Neufassung der innerstaatlichen Bauartzulassung festgeschrieben. Er ist festgelegt durch einen sogenannten Hash-Wert. Eine weitere Änderung der Gerätezulassung gab es seit diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Mit Schreiben vom 29.05.2017 teilte die PTB dem Hersteller mit, dass die 4. Neufassung der innerstaatlichen Bauartzulassung beim Hash-Wert der EichCD einen Schreibfehler enthalte. Der korrekte Hash-Wert wurde dem Hersteller mitgeteilt. Er unterscheidet sich deutlich vom alten Hash-Wert, so dass nicht von einem üblichen Tippfehler ausgegangen werden kann.

In einer Pressemitteilung teilt der Hersteller mit, dass die PTB die Aufbauanleitung dahingehend geändert habe, dass der Abstand der Induktionsschleifen 1,20 m betragen „muss“ und nicht mehr „sollte“.

Dies ist die zweite Version der Aufbauanleitung. Nur verwundert die Datierung. Gemäß PTB-Mitteilung und Presseerklärung soll die Änderung im Jahr 2017 erfolgt sein, nur liegt uns diese Version der Aufbauanleitung bereits seit dem Jahr 2014 vor.

Wäre der Passus „muss“ bereits in der Zulassungsänderung zur Aufbauanleitung enthalten gewesen, so würde sich die momentane Problematik nicht stellen. Dann wäre schlicht und ergreifend klar, dass ein Aufbau außerhalb dieser Parameter nicht der Zulassung entspricht. Damit läge in allen Fällen, in denen der Abstand der Induktionsschleifen < 1,20 m beträgt, eine Verwendung des Messgeräts außerhalb der PTB-Zulassung vor und damit nicht im Sinne eines standardisierten Messverfahrens. In jedem Einzelfall müsste dann der Nachweis einer korrekten Messung von Amts wegen geführt werden.

Es ist jedoch gemäß der obigen Informationen davon auszugehen, dass der Passus

"muss mehr als 1,20 m betragen"

gerade nicht in der Zulassungsänderung enthalten war.

Damit ergeben sich aber zwei gänzlich neue Fragen:

  1. Wie ist es zu bewerten, dass die PTB davon ausgeht, dass eine Gerätezulassung NUR mit dem Passus "muss mehr als 1,20 m betragen" aufrechterhalten werden kann?

  2. Wie kann dieser Zustand hergestellt werden?

Zum 2. Problem bleibt eines unstreitig festzuhalten: eine Zulassungsänderung, wie sie nach alter Rechtslage von vor dem 01.01.2015 (Einführung MessEG und MessEV) hätte ergehen können, ist nach neuem Recht nicht mehr möglich. Der PTB fehlt hierfür schlicht die gesetzliche Grundlage. Es wäre ein Baumusterprüfung nach neuem Eichrecht sowie ein Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen. Da dies bisher nicht durchgeführt worden ist, stellt sich die Frage, ob das fragliche Messgerät nach neuem Recht nicht mehr für eine Baumusterprüfung geeignet ist.

Geht die PTB also davon aus, dass das Gerät ohne den Passus

"muss mehr als 1,20 m betragen"

nicht zulassungsfähig ist, so muss sie ihren Fehler bei der letzten Zulassungsänderung korrigieren und die Gerätezulassung entziehen.

Die hier auftretenden Probleme stehen in unguter Tradition zu ähnlichen Vorkommnissen bei Jenoptik. Diese sollen hier nur kurz angerissen werden:

Es mag jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen, aber einen Ausweis besonderer Sorgfalt stellt dies alles nicht dar. Gerade aber bei empfindlichen Eingriffen in die Rechte des Bürgers erscheint solch eine Sorgfalt aber geboten, da ansonsten die Einsichtsfähigkeit des Bürgers durch das Gefühl hilflos ausgeliefert zu sein überbeansprucht wird. Genau solche Bedenken hat auch das OLG Frankfurt zum Ausdruck gebracht [4].

 

Quellen

[1] http://www.mz-web.de/halle-saale/sind-tausende-knoellchen-falsch--halle-schaltet-fehlerhaften-blitzer-ab-27922672

[2] https://www.ksta.de/koeln/a3-blitzer-am-dreieck-heumar-hunderttausende-wurden-zu-unrecht-geblitzt-25667222

[3] Stimmt die Anzeige? − Geschwindigkeitsmessgeräte mit Anbindung an Wechselverkehrszeichenanlagen Alexander Wiek VKU 12/2015 Seite 432ff

[4] OLG Frankfurt Beschluss vom 26.04.2017 2Ss-Owi 295/17 (Auszug hier zum Download)