20.06.2018
Betrug mit Messgeräten der PoliScan-Familie?


Was seit Jahren beinah als Hysterie abgetan wird, ist nun anscheinend eingetreten.

In einem Verfahren vor dem AG Wismar (Beschl. v. 13.06.2018, Az.: 15 OWi 235/18) sind Manipulationen an .xml-Dateien aufgefallen. Konsequenz: Verfahrenseinstellung und eine Strafanzeige.

Das AG Wismar folgt in seiner Auffassung vielen Sachverständigen, denn es ist der Ansicht, dass bei einem Abweichen der Entfernungswerte von den Vorgaben der Bauartzulassung (50 m – 20 m) keine korrekte Messung vorliegt.

Es ist im dortigen Umfeld also wohl bekannt, dass Verfahren mit solchen abweichenden Entfernungswerten regelmäßig eingestellt werden.

Nachdem im fraglichen Einzelfall durch ein VUT-Gutachten tatsächlich ein abweichender Entfernungswert (Messbeginn bei 50,30 m) in den xml-Daten festgestellt worden ist und dieser Umstand dem Gericht zur Kenntnis gegeben wurde, geschieht das, wovor die VUT schon seit Jahren warnt.

Die Behörde stellt dem Gericht auf Anfrage ebenfalls einen Ausdruck (wohlgemerkt nicht die Originalfalldatei) der .xml-Datei aus dem fraglichen Fall zur Verfügung.

Dieser Ausdruck stimmte mit den im Gutachten aus der Original-Falldatei erstellten xml-Daten Zeichen für Zeichen überein. Jedenfalls bis auf zwei ganz entscheidende Zeichen.

Statt "positionfirsmeasurement = 50.30" enthielt der Behördenausdruck die "positionfirstmeasurement = 49.30".

Zwei kleine Zeichen in den xml-Daten – große Wirkung vor dem AG Wismar.

Denn hier (wie es überall anders auch sein sollte) wird so aus einer unverwertbaren Messung eine verwertbare.

Wie konnte dieser Unterschied auftreten?

Laut Auskunft des Behördenleiters natürlich nur ein Versehen. Vor dem Ausdrucken sei eine andere .xml-Datei nicht richtig gelöscht worden.

Aber wie man es auch drehen und wenden mag. Eine zufällige Veränderung aufgrund eines technischen Defekts oder dergleichen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit einer versehentlichen Änderung an genau der richtigen Stelle, nur an dieser Stelle, mit genau dem richtigen Wert, innerhalb einer komplex anmutenden Textstruktur mag jeder für sich selbst beantworten.

Ein Strafverfahren wird jedenfalls eingeleitet.

Viel wichtiger ist jedoch, erneut die Forderungen so vieler verfahrensbeteiligter Richter, Rechtsanwälte und Sachverständiger zu unterstützen:

Dann und nur dann können wir uns auf ein transparentens und faires System der Verkehrsüberwachung zubewegen und für Akzeptanz beim Verkehrsteilnehmer werben.

Damit ist aber auch die kürzliche erneut gefestigte Sichtweise der OLGs widerlegt, exemplarisch hier die Entscheidung des OLG Bamberg (Beschl. v. 13.06.2018, Az.: 3 Ss OWi 626/18, Link zu Burhoff, PDF wird nachgereicht). Das OLG Bamberg würdigt darin nicht nur das begrüßenswerte Urteil des VGH des Saarlandes herab (Beschl. v. 27.04.2018, Az.: Lv 1/18), es stellt auch in seinem Leitsatz fest:

"Die Ablehnung [auf Überlassung] digitaler Messdateien [...] verletzt weder das rechtliche Gehör noch das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren."

Hätte aber im vorliegenden Verfahren der Betroffene die Messdatei nicht erhalten, hätte er die Fälschung der xml-Daten nicht aufdecken können. Er wäre demnach verurteilt worden.

Wie soll der Betroffene im Bußgeldverfahren unter solchen Umständen noch auf eine faires, rechtsstaatliches Verfahren vertrauen?

Das Argument "Wer sollte denn ein Interesse daran haben, Daten zu verfälschen?" darf in den Diskussionen um sichere und transparente Messverfahren jedenfalls nicht mehr angeführt werden.