01.12.2023
PoliScan FM1: Neue Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Verteidigung


Spätestens seit XV3 steht fest: Unfehlbarkeit bei Geschwindigkeitsmessungen gibt es nicht, auch nicht bei Lasermessverfahren.

Obwohl Messgerätehersteller und PTB in trauter Eintracht und nach Kräften bemüht sind, jedwede Prüfung von Messergebnisses zu unterbinden, haben wir doch einen neuen Prüfansatz für Messgeräte der PoliScan Familie finden können.

Im Kern geht es darum festzustellen, ob das Messgerät durch konkrete Aktionen des Verwenders überhaupt in die Lage versetzt wurde, so zu messen, wie dies ursprünglich beabsichtigt worden ist.

Wie soll das Messgerät messen?

Durch die vorgeschriebene Einstellung eines Schwenkwinkels je nach Aufstellsituation und durch die Vorschrift Hindernisse im Erfassungsbereich zu vermeiden, soll die Fahrbahn so vom Lidar abgetastet werden, dass die sich bewegenden Objekte ungehindert zwischen etwa 70 m und 10 m erfasst werden. Die ungehinderte Erfassung dient der korrekten Messwertbildung.

Wie arbeiten die Anwender?

Die tägliche Praxis zeigt, dass Messgeräte gerne versteckt werden, hinter Hecken, Leitplanken, Mülltonen u.a.. Außerdem werden in der Gebrauchsanleitung vorgeschriebene Schwenkwinkel verändert, wodurch in vielen Fällen Hindernisse nicht mehr zu sehen sind.

Wie stellt man diese Verstöße gegen die Gebrauchsanleitung fest?

Noch sind nicht alle in den Poliscan Falldateien enthaltenen Informationen von Hersteller und PTB gefälscht oder gelöscht worden. Die Angaben zu Schwenkwinkel, Aufstellhöhe und Erfassungsbeginn und -ende lassen sich (noch) auslesen. Hierbei lassen sich erste Hinweise auf eine Beeinträchtigung des Erfassungsbereiches finden. Auf jeden Fall braucht man zu einer seriösen Untersuchung eines Messbetriebes die Auswertung der Messreihe, da nur dann eine dauerhafte Einschränkung der Erfassung von Fahrzeugen geprüft werden kann.

Feststellungen bei Messreihenauswertungen

Die nachfolgende Skizze stellt die Erkenntnisse aus einer Messreihenauswertung beispielhaft dar. Die grün markierte Fläche zeigt den vom Lidar erfassten Fahrbahnbereich. Die rot markierte Fläche zeigt den durch den fehlerhaft eingestellten Schwenkwinkel nicht erfassten Fahrbahnbereich. Die blau markierten Punkte zeigen den jeweiligen Erfassungsbeginn (very first measurement) der Einzelmessungen, die roten Punkte zeigen die jeweils letzte Erfassung (very last measurement). Durch die Verteilung, die üblicherweise über die Fahrbahn gestreut verläuft, ist ein nicht erfasster Bereich deutlich auszumachen (gelb markiert), welcher im Lidarbereich liegt und somit den Wirkungsbereich eines Hindernisses ausmacht.

Abbildung: Beispiel für Aufstellfehler aus unserem Vorgang A23G03RG01KH

Fehlerbetrachtung

Wären die Rohmessdaten abgespeichert, könnte sich jetzt eine sinnvolle Diskussion um die Auswirkungen dieses Phänomens anschließen. Auch würde die Genauigkeit der obigen Auswertung durch die Gesamtheit aller Messpunkte deutlich an Präzision gewinnen.

Dass dies keine Auswirkung auf die Messwertbildung hat, ist lediglich eine Wunschvorstellung von Messgerätehersteller und PTB. Eines jedenfalls dürfte jedem einleuchten: Eine Reduzierung von einzelnen Messpunkten und eine nicht lineare Erfassung der einzelnen Messpunkte wird sicherlich nicht zu einer Verbesserung der Messwertbildung führen.

Theoretisch ist eine ähnliche Messwertbeeinflussung wie bei den Fehlmessungen zu Leivtec nicht auszuschließen. Beispielsweise kann neben der Entfernungsveränderung des gesamten Objektes von A nach B ein Abgleiteffekt von z.B. der Dachkante eines Fahrzeuges zum Kennzeichen hin die Messstrecke von 10 m (Mindestmessstrecke nach PTB Richtlinie) um ca. 1,5 m verlängern, dies bei (vereinfacht dargestellt) gleicher Messzeit. Das generiert eine um 15 % zu hohe Geschwindigkeit.

Bedeutung für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dies, dass in jede Anforderung neben Falldatei und Messreihe immer auch die Forderung nach den Rohmessdaten aufzunehmen ist. Die offene Frage des Bundesverfassungsgerichts aus seinen Beschlüssen aus Juni 2023, wird hier wieder einmal sehr deutlich und sehr konkret beantwortet:

Rohmessdaten würden eine Überprüfung des beschriebenen Effekts und eine eventuelle Korrektur des vorgeworfenen Geschwindigkeitswertes ermöglichen und sind zwingend notwendig und geeignet, ein Messergebnis zu überprüfen.

Daneben legt § 33 (1) MessEG fest, dass „Werte für Messgrößen im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder bei Messungen im öffentlichen Interesse nur dann angegeben oder verwendet werden dürfen, wenn zu ihrer Bestimmung ein Messgerät bestimmungsgemäß verwendet wurde und…“. Das kann jedoch nur der Fall sein, wenn das Messgerät auch so verwendet wurde, wie die Gebrauchsanleitung es vorsieht.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein weiterer Fall mit dem PoliScan FM1, den wir gerade in unserem Haus bearbeiten. Dort berichtet das Ingenieurbüro Fürbeth, dass es Hinweise auf Messfehler gefunden habe, auch wenn das Messgerät deutlich außerhalb der üblichen Aufstellung betrieben worden ist. Immerhin aber kann man schon jetzt festhalten, dass die Werbebotschaft des Herstellers, dass man das Gerät völlig sinnlos aufstellen könne, denn es würde entweder gar nicht oder richtig messen, nicht mehr haltbar ist.

In jedem Gutachten der VUT werden die erforderlichen Unterlagen gegenüber der Behörde angefordert und diese Ansatzpunkte ausführlich betrachtet!