30.09.2024
Ist das nur veraltet oder schon Willkür? – Beschluss AG Offenbach am Main


Immer wieder erreichen uns Beschlüsse wie der des AG Offenbach am Main vom 04.04.2024.

Dort wird ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezüglich einer Übersendung von Beweismitteln und der Herausgabe der Messreihe abgelehnt.

Soweit erst einmal nicht viel Neues.

Aber gerade die „kreative“ Begründung, warum eine Übersendung digitaler Beweismittel ganz grundsätzlich nicht erfolgen soll, bietet doch genügend Anlass, sich noch einmal kurz mit der Thematik zu befassen.

So wird ausgeführt, dass „überhaupt kein Anspruch auf Übersendung von Beweismitteln“ bestehe, wobei Bezug auf ein OLG Frankfurt Beschluss (Az.: 2 Ss-OWi 1013/22) vom 18.10.2022 genommen wird.

Ein solcher Beschluss ist für uns nicht auffindbar, was schon seltsam anmutet.

Was jedoch sehr schnell gefunden werden kann, ist entgegenstehende OLG Rechtsprechung.

Nämlich etwa vom OLG Zweibrücken (Beschluss vom 11.01.2017, Az.: 1 Ws 348/16), dem OLG Saarbrücken (Beschluss vom 13.11.2018, Az.: 1 Ws 258/18) oder auch vom OLG Naumburg (Beschluss vom 05.11.2012, Az.: 2 Ss (Bz) 100/12), die sich alle einig sind: Sind Dokumente oder Daten auf Video oder CD übertragbar, hat die Verteidigung Anspruch auf Übersendung einer Kopie. Anderes verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör.

Stichwort Kopie. Hier wird das AG dann wirklich „kreativ“, begründet es doch die Weigerung der Fertigung (und Übersendung) einer solche Kopie digitaler Daten mit einer gesteigerten Manipulationsgefahr.

Dieser Gedankengang ist derart abwegig und lebensfern, dass es fast unmöglich wird, darauf noch zu erwidern. In eine ähnliche Kategorie fällt allenfalls noch die von Behördenseite immer wieder an uns herangetragene Bitte um Rücksendung der Originaldatei.

Zum Abschluss folgt dann noch das Märchen, dass kein Anspruch auf Einsicht in die gesamte Messreihe vom Tattag bestünde.

Wieder bezieht man sich auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 26.08.2016, Az.: 2 Ss OWi 589/16). Liest man dieses Urteil jedoch genauer, so wird deutlich, dass dort einem Einsichtsrecht in die Messreihe überhaupt keine Absage erteilt wird, jedenfalls nicht generell. Vielmehr deckt sich die Argumentation (und wäre ansonsten ohnehin überholt) mit der des BVerfG (2 BvR 1616/18 vom 12.11.2020, 2 BvR 1167/20, 2 BvR 1082/21, 2 BvR 1090/21 vom 20.06.2023) und des BGH (4 StR 171/21 vom 30.03.2022).

Dort wird überall sinngemäß geurteilt: Haben Informationen eine (auch nur) theoretische Relevanz für die Beurteilung eines Verkehrsverstoßes, so sind sie herauszugeben.

Dies ist aus einer Betroffenensicht und ex ante zu bewerten.

Hinsichtlich der Relevanz von Messreihen verweisen wir auf unsere Ausführungen vom 14.02.2024 (LINK: https://vut-verkehr.de/aktuelles/90/--null---oder-auch---der-erkenntniswert-der-neuen-ptb-stellungnahme-zu-messreihen--annullationsraten-und-statistikdatei--), die anhand von drei leicht nachvollziehbaren Beispielen eine solche Relevanz nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch belegen.

Was lernen wir also:

  1. Beschlüsse wie der des AG Offenbach am Main zeigen entweder an Ignoranz grenzende Unwissenheit der handelnden Richter oder schlicht Willkür. Anderes ist anhand der Fakten– und Informationslage einfach nicht mehr vertretbar.
  2. Dieser Ignoranz (oder Willkür) kann nur mit stoischer Gründlichkeit und Beharrlichkeit begegnet werden, will man noch ernsthaft in verkehrsrechtlichen OWi–Verfahren verteidigen.

 

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