Die Ergebnisse einer Testreihe mit XV3-Messgeräten sorgen aktuell für Aufruhr in der Welt der Ordnungswidrigkeiten. Derzeit sind noch nicht alle Teile der Versuchsreihe veröffentlicht. Was bisher bekannt ist, macht jedoch einmal mehr deutlich:
für ein faires – weil transparentes und nachprüfbares – OWi-Verfahren benötigt man Rohmessdaten.
Eine Gruppe von Sachverständigen hat einen wissenschaftlichen Versuchsaufbau erdacht und damit nachgewiesen, dass es unter bestimmten (alltäglichen) Aufbaubedingungen, die vollständig von der Gebrauchsanweisung gedeckt sind, mit dem Leivtec XV3 zu Messwertabweichungen weit jenseits der Verkehrsfehlergrenzen kommt.
Die Publikation zur Versuchsreihe ist noch nicht vollständig (Stand 21.10.2020), so dass eine abschließende Beurteilung noch nicht erfolgen kann. Besonders interessant erscheint jedoch die Feststellung, dass schon kleine Reflektoren (4 cm²) geeignet sind, eine Messwertbildung zu ermöglichen und dass der aktive Laserstrahl nicht zwingend zentriert und nicht zwingend formatfüllend im Auswerterahmen wirkt.
Dass im Versuchsaufbau mit zwei verschiedenen Leivtec Messgeräten in derselben Messsituation am selben Fahrzeug zwei ganz erheblich differierende Geschwindigkeiten gemessen werden, disqualifiziert das Messgerät als standardisiertes Messverfahren, da zumindest eine Messung außerhalb der Verkehrsfehlergrenze vorliegt.
Spekulationen über mögliche Stufensprünge, programmierte Auswahl einzelner Messimpulse oder andere Ursachen können dabei wegen der Eindeutigkeit der Ergebnisse an dieser Stelle unterbleiben.
Auf die Stellungnahme von PTB und Hersteller darf man schon jetzt gespannt sein, wurde doch im Vorfeld der Untersuchungen von der PTB einmal mehr behauptet:
„Zweifel an der Messrichtigkeit im Zusammenhang mit Querabstand oder Aufstellhöhe können also aus physikalischen Gründen gar nicht entstehen.“
(Quelle: 2. Stellungnahme der PTB zu den Nenngebrauchsbedingungen vom 21.08.2020)
In der früheren Softwareversion 1.0 speicherte das XV3 die Rohmessdaten (damals jedoch vom Hersteller als bloße Simulationsdaten bezeichnet) ab. Aus dieser Version wissen wir, dass grundsätzlich bis zu 150 Entfernungsmesswerte als Information zur Geschwindigkeitsberechnung zur Verfügung stehen.
Diese Softwareversion 1.0 hat ihre behördliche Gültigkeit noch nicht verloren und könnte einfach erneut auf den Geräten installiert werden.
Man darf davon ausgehen, dass die Auswertung dieser Rohmessdaten entscheidende Hinweise auf die in der Versuchsreihe provozierten Messsituationen liefern kann.
Allen am Verfahren Beteiligten, von Hersteller bis zum Gericht, wird hier einmal mehr deutlich aufgezeigt, dass Fehlmessungen im Messbetrieb Wirklichkeit sind. Nur durch Auswertung von Rohmessdaten hat man überhaupt die Chance, diese Fehler auch im Einzelfall im Nachhinein aufzudecken.
Interessant wird die Prüfung, welche Auswirkungen diese Versuchsreihe im Hinblick auf XV3 Messungen von Brücken herab hat, welche bislang mit einem theoretischen Fehler von 1 - 2 km/h errechnet werden.
Für die Praxis im OWi-Verfahren kann dies nur bedeuten, dass Ergebnisse von XV3 Messungen nicht ungeprüft hingenommen werden dürfen.
Sollte mittelfristig keine Nachprüfbarkeit des Messergebnisses geschaffen werden (hier Offenlegung der Messimpulse z.B. durch Downgrade auf SW 1.0), ist dem Messgerät u. U. die Zulassung zu entziehen (vgl. §§ 31 Abs. 1, 2 Nr. 1, 37 Abs. 2 Nr. 1 MessEG).
Letzten Endes wird weiterhin zu prüfen sein, inwiefern die hier getroffenen Erkenntnisse auf alle Messverfahren auf Laserbasis Anwendung finden müssen.