02.12.2024
Vitronic gibt Handlungsempfehlungen an deutsche Behörden oder Wer ist hier eigentlich noch Herrin des Verfahrens?


Unter dem Titel „Herausgabe von Informationen an Verfahrensbeteiligte“ verteilt der Gerätehersteller Vitronic (PoliScan-Gerätefamilie) Empfehlungen an deutsche Behörden.

Während immerhin der Original Falldatensatz des Betroffenen „jederzeit“ herausgegeben werden soll (auch dafür musste die Verteidigung in OWi-Verfahren ja lange genug kämpfen), wird die Herausgabe anderer Beweismittel (u.a. Messreihe, Token nebst Passwort, Gebrauchsanweisung) nur unter Einschränkungen empfohlen. Die komplette Messreihe soll bspw. nur auf richterliche Anforderung herausgegeben werden.

Starker Tobak, wenn man sich vor Augen führt, was hier eigentlich passiert.

Das Bundesverfassungsgericht höchstselbst hat in jüngeren Entscheidungen (Beschl. v. 12.11.2020, Az.: 2 BvR 1616/18) unmissverständlich ausgeführt, welche Beweismittel einem Betroffenen im OWi-Verfahren herauszugeben sind und welche nicht.

Dies losgelöst von einem formalen Aktenbegriff.

Ein Urteil welches jahrzehntelange Auseinandersetzungen vor Gericht brauchte, mit unermüdlichen Betroffenen und ihren Rechtsbeiständen. Nicht etwa – wie ja häufig vorgeworfen wird –, um Freisprüche für notorische Raser zu ermöglichen. Sondern schlicht und ergreifend, um eine faires (weil rechtsstaatliches) OWi-Verfahren zu ermöglichen.

Denn ehrlicherweise muss man bei all der Beweismittelvernichtung (Stichwort Rohmessdaten), die von Herstellern und (federführend) PTB betrieben wird fast schon konstatieren, dass der Bußgeldbescheid für einen Geschwindigkeitsverstoß in Deutschland einem Präjudiz gleichkommt.

Aber damit offenbar nicht genug, denn nun versuchen die Hersteller auch noch durch solche „Empfehlungen“ in bundesverfassungsgerichtlich festgestelltes Recht einzugreifen.

Denn dass gerade die Messreihenauswertung bei Geräten aus dem Hause Vitronic immer wieder Hinweise auf eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung liefert, haben wir bereits mehrfach berichtet.

Was lernen wir daraus?

Im Kampf um Beweismittel im OWi-Verfahren, um ihre Herausgabe, ihre Bedeutung, um die Informationen, die sich aus ihnen gewinnen lassen, für die Bewertung, ob ein Messergebnis Grundlage einer Verurteilung sein darf – in diesem Kampf darf man keinen Schritt zurückweichen, in keiner Verhandlung nachlassen.

Die Argumente liegen bereit, ebenso höchstrichtliche Rechtsprechung. Aber beides muss in jedem individuellen Verfahren vorgetragen und wirksam in die Hauptverhandlung eingebracht werden.

 

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