Warum erst seit dem 01.01.2025, wo MessEG und MessEV doch bereits seit 10 Jahren in Kraft sind?
Weil zum Jahreswechsel die Übergangsvorschriften des § 62 MessEG ausgelaufen sind.
Nach § 6 MessEG dürfen Messgeräte nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie (vereinfacht ausgedrückt) die wesentlichen Anforderungen einhalten, nämlich die Fehlergrenzen einhalten und so gebaut sind, dass sie nach dem Stand der Technik richtige Messergebnisse und Messungen gewährleisten.
Als Nachweis dient nach § 6 Abs. 3 MessEG eine Konformitätsbewertung (Anmerkung: für eine Baureihe Konformitätsbewertung nach Modul B oder Baumusterprüfung genannt).
Neben dieser allgemeinen Konformitätsbewertung (Baumusterprüfung für die Baureihe) ist bei der tatsächlichen Inverkehrbringung eines Einzelmessgerätes nach dem 31.12.2014 (egal ob alt, also bauartzugelassen oder neu, also baumustergeprüft) eine Konformitätsbewertung einer Konformitätsbewertungsstelle nach Modul F (kurz KFB) und eine Konformitätserklärung (KFE) des Herstellers erforderlich
Da mit Einführung des jetzt gültigen MessEG zum 01.01.2015 jedoch auch noch „Altgeräte“ sowohl in Verkehr waren, als auch auf dem Markt bereit standen, um in Verkehr gebracht zu werden, kommt es in Verbindung mit der Übergangsvorschrift des § 62 MessEG zu zahlreichen Fallkonstellationen auf dem Markt:
bauartzugelassen (also vor 2015 von PTB) und vor 2015 in Verkehr gebracht (erstgeeicht) – konnte nach § 62 Abs. 1 MessEG betrieben werden
bauartzugelassen (also vor 2015 von PTB) aber nicht vor 2015 in Verkehr gebracht (erstgeeicht) – diese Messgeräte fallen nicht unter Abs. 1. Die Bauartzulassung beinhaltete nach § 62 Abs. 2 MessEG die unwiderlegliche Vermutung der Einhaltung der wesentlichen Anforderungen nach § 6 MessEG. Zur Inverkehrbringung des Einzelgerätes bedurfte es allerdings der Konformitätsbewertung (Modul F, KFB) und einer Konformitätserklärung des Herstellers (KFE)
baumustergeprüft (also nach 2014 von Konformitätsbewertungsstelle) und zwangsläufig nach 2014 in Verkehr gebracht. Zur Inverkehrbringung des Einzelgerätes bedarf es der Konformitätsbewertung (Modul F KFB) und einer Konformitätserklärung des Herstellers (KFE)
Neben der Betrachtung wann ein Messgerät in Verkehr gebracht wurde, ist also von Bedeutung, auf welcher „Zulassungs“-basis das Messgerät in Verkehr gebracht wurde: auf Basis einer Bauartzulassung oder einer Baumusterprüfung.
Diese Unterscheidung gewinnt mit dem Datum 31.12.2024 weiter an Bedeutung, denn zum Jahreswechsel verliert die unwiderlegliche Annahme, dass von der PTB bis 31.12.2014 bauartzugelassene Messgeräte die wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG einhalten, ihre Gültigkeit.
Was bedeutet dies für die Praxis?
Im Grunde genommen ist die Sache einfach: Es gibt keine Rohmessdaten, welche die konkrete Prüfung des Messwertes ermöglichen.
Die Annahme, dass die wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG eingehalten werden, basieren lediglich auf einem von der Rechtsprechung so genannten „antizipierten Sachverständigengutachten“: die PTB Bauartzulassung. Diese hat aber nun ihre Wirkung verloren. Der Messwert verliert damit das Vertrauen in seine Korrektheit.
Für Messungen, die ab dem 01.01.2025 erfolgen, ergibt sich daher eine außerordentlich wichtige Frage bei der Erstellung eines Sachverständigengutachtens: Wann wurde das Messgerät in Verkehr gebracht?
Bei der Beurteilung gilt:
die Inverkehrbringung vor dem 01.01.2015 – das Vertrauen in die Einhaltung der wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG liegt nicht mehr vor
die Inverkehrbringung nach dem 31.12.2014 auf Basis einer Bauartzulassung (Konformitätsbewertung Modul F und KFE müssen vorliegen) - das Vertrauen in die Einhaltung der wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG liegt nicht mehr vor
die Inverkehrbringung nach dem 31.12.2014 auf Basis einer Baumusterprüfung Modul B (KFB Modul F und KFE müssen zusätzlich vorliegen) - das Vertrauen in die Einhaltung der wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG liegt vor
die Inverkehrbringung erfolgte nach dem 31.12.2024 zwangsläufig auf Basis einer Baumusterprüfung Modul B (KFB Modul F und KFE müssen zusätzlich vorliegen) - das Vertrauen in die Einhaltung der wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG liegt vor
Die Prüfung der ordnungsgemäßen Inverkehrbringung dient also für die Verteidigung dem Auffinden der Messgeräte, die vor 2015 mit einer Bauartzulassung erstgeeicht wurden, oder nach 2014 mit einer Bauartzulassung und einer Konformitätsbewertung Modul F und einer Konformitätsbewertung in Verkehr gebracht wurden.
Unsere häufig belächelte Forderung nach Konformitätsbewertung und Konformitätserklärung für ein Messgerät erfüllt damit einen ganz wesentlichen Zweck in der sachverständigen Prüfung eines Messvorganges:
Nur so kann festgestellt werden,
ob dem Betrieb eines Messgerätes eine Bauartzulassung oder eine Baumusterprüfung zugrunde liegt und
ob ein Messgerät ordnungsgemäß in Verkehr gebracht und in Verkehr geblieben ist.
Entscheidende Informationen bei der Frage nach einem verwendbaren Messwert.
Eine eng verwandte Thematik, mit der wir uns in Kürze beschäftigen werden: Neugebaute Messgeräte, bei denen Hersteller auf die Inverkehrbringung verzichten. Dies soll möglich sein, weil bereits „zugelassene“ Bauteile weiter- bzw. wiederverwendet werden. Hierzu in Kürze mehr.
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