19.01.2021
Geänderte Auswertung beim XV3? Das Kartenhaus stürzt ein


Einer unabhängigen Gruppe von Sachverständigen war es vor kurzem gelungen nachzuweisen, dass mit dem XV3 in gewöhnlichen Messsituationen Messabweichungen auftreten können, die deutlich größer als die Verkehrsfehlergrenze sind. Die Abweichungen wurden dann festgestellt, wenn das gemessene Fahrzeug „seitlich“ in den Messfeldrahmen einfuhr.

Die PTB teilte zunächst am 27.10.2020 vorläufig mit, dass die Abweichungen noch nicht reproduziert werden konnten.

Nun soll eine neue Gebrauchsanweisung für das XV3 zugelassen worden sein, in der die Auswertekriterien deutlich verschärft worden sind. Das ist in zweierlei Hinsicht äußerst fragwürdig.

Zum einen stellen sich verwaltungsrechtliche Fragen, nämlich wie eine neue Gebrauchsanweisung „zugelassen“ werden kann, wenn das Messgerät „nur“ eine Bauartzulassung hat, aber keine Baumusterprüfung durch eine Konformitätsbewertungsstelle durchlaufen hat. Weder im MessEG noch in der MessEV finden sich hierzu Vorschriften. Daher ist fraglich auf welcher rechtlichen Grundlage und in welcher Funktion die PTB hier gehandelt hat. Eine diesbezügliche Anfrage wurde bereits gestellt und wird an entsprechender Stelle veröffentlicht.

Auf der anderen Seite ist fraglich, was genau die Änderungen bezwecken sollen. Will man tatsächlich den Messfehlern Rechnung tragen oder bloß die weitere Verwendbarkeit des Messgeräts sicherstellen?

Denn eines ist klar: die Messungen aus den Versuchen der argueMint mit den Abweichungen, die größer sind als die Verkehrsfehlergrenze, sind nach den neuen Auswertevorschriften nicht mehr zulässig.

Ein Kausalzusammenhang zwischen dem „seitlichen“ Einfahren und den Messfehlern ist jedoch noch nicht hergeleitet worden. D. h. im Umkehrschluss, dass der Messfehler auch dann weiter auftreten kann, wenn die verschärften Auswertekriterien erfüllt sind. Daher werden zur tatsächlichen Überprüfung jeder Messung weiterhin die Rohmessdaten benötigt, die das Messgerät während der Messung erfasst. Im früheren Softwarestand 1.0 wurden wesentlich mehr erhobene Daten gespeichert.

Warum PTB und Hersteller diesen Schritt jedoch weiterhin nicht gehen, vor allem im Angesicht der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG, ist nicht nachvollziehbar.

Es bleibt die Erkenntnis für die Praxis, dass kein XV3-Vorgang mehr ohne genaue gutachterliche Überprüfung auskommt. Erste interne Auswertungen lassen vermuten, dass 30-40% aller XV3-Fälle von den neuen Auswertekriterien betroffen sind.