14.12.2022
AG Schleiden oder Die PTB lügt schon wieder …


Die LED-Problematik beim ES3.0, die zu erwiesenen Falschmessungen und damit Fotoanfertigungen von normentreu agierenden Verkehrsteilnehmern führen kann (gemessene 89 km/h bei zulässigen und vorwerfbaren 80 km/h) ist mittlerweile hinlänglich bekannt.

Dass dies auch dem Hersteller bewusst ist, und dieser heimlich „Verbesserungsmechanismen“ in der Software des Nachfolgesystem ES8.0 untergebracht hat, haben wir in der jüngsten Newsletterreihe ausgiebig thematisiert.

Das AG Schleiden (Urteil vom 02.09.2022, Az.: 13 OWi-304 Js 802/22-179/22) hat nun einen Betroffenen im Fall einer Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen bzw. freisprechen müssen; die dazugehörende Begründung ist absolut lesenswert, stichhaltig und spricht für sich, auch wenn wir bei der Argumentation noch einen Schritt weiter gehen würden (Warum sollte es einen Unterschied für ein faires Verfahren machen, ob die Speicherung von Rohmessdaten nachträglich entfernt wurde oder von Anfang an nicht vorgesehen war?).

Ein besonderes Augenmerk soll von unserer Seite allerdings darauf gelegt werden, dass das AG Schleiden in diesem Verfahren eine Stellungnahme der PTB eingeholt hat und nach Meinung der PTB der Umfang der vorzuhaltenden Beweismittel durch Wünsche von Herstellerfirmen definiert wird. So teilt die PTB mit, 

dass es offenbar nicht die Absicht des Herstellers sei, Geräte mit Rohmessdatenspeicherung auf den Markt zu bringen. Es entspräche auch nicht den „Wünschen des Herstellers“, dass Messdaten im Nachhinein zugänglich seien.

Bitte was?!

Nicht nur, dass dieses Recht selbstverständlich weder dem – noch nicht einmal direkt auftretenden – Hersteller noch irgendwelchen eigens gegründeten Hersteller–Lobbyvereinen zusteht (wie auch das AG Schleiden ausführt). Der Versuch der PTB, hier ihre ureigene Verantwortung von sich zu schieben, steht auch konträr zu ihrem Verhalten in der Vergangenheit. Etwa, als sie es nach den aufsehenerregenden Urteilen des SaarVerfGH fertigbrachte, Hersteller ausdrücklich davon abzuhalten, dem dort verfassungsrechtlich hergeleiteten Erfordernis der Rohmessdatenabspeicherung nachzukommen.

So fühlte sich der Hersteller Jenoptik außer Stande, seine Messgeräte um eine Rohmessdatenspeicherung zu erweitern:

Leider erreichte uns nun die Absage der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) für eine Zulassung der Software mit dem Hinweis, dass die Zurverfügungstellung von Rohmessdaten, aus denen ein Geschwindigkeitswert abgeleitet werden kann, weder der Mess- und Eichverordnung noch der aktuellen PTB-Anforderung 12.05 entspricht, da ein Messgerät keine Merkmale ausweisen dürfe, die eine Benutzung in betrügerischer Absicht erleichtern, sofern eine Verwechslung mit den "geeichten" Messwerten nicht ausgeschlossen sei.

Diese Feststellung gilt für alle Messsysteme, die in der Bundesrepublik Deutschland für amtliche Geschwindigkeitsmessungen eingesetzt werden!

(Hervorhebungen durch den Verfasser des Zitats)

D. h. einmal verbietet die PTB den Herstellern das Abspeichern der Rohmessdaten von sich aus und auf Anfrage eines Gerichts legt sie diesen Wunsch den Herstellern in den Mund.

Und wo wir gerade bei der Thematik angelangt sind, gab es vor nicht allzu langer Zeit noch eine ähnliche Konstellation. Stichwort XV3, als die Firma Leivtec (angeblich) aus Gründen des Bedienkomforts die PTB um Vernichtung der bis dahin existenten Rohmessdaten bat und nach Aufdeckung von Fehlmessungen letzten Endes aus der Verkehrsüberwachung in Deutschland ausschied.

Beim ES8.0 müssen Fehlmessungen gar nicht erst zukünftig nachgewiesen werden – sie sind schon da.

Entweder kommt also das Bestreben der Unterdrückung von Beweismitteln – um im Sprachgebrauch des AG Schleiden zu bleiben – von der PTB oder den Geräteherstellern. In beiden Fällen hat die PTB mindestens einmal gelogen.