07.06.2023
Knapp ein Drittel aller Messungen inkorrekt? – Repräsentative Rohmessdatenfallstudie zum ES 3.0


Mit Spannung wird das längst überfällige Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 1167/20) zum Thema Rohmessdaten erwartet.

Für uns kann dieses Urteil nur in eine Richtung ausgehen: Kein standardisiertes Messverfahren ohne Rohmessdaten (siehe auch hier, hier und hier).

Um diesen Standpunkt noch einmal wissenschaftlich zu untermauern, haben wir eine vollständige Messreihe (mehr als eintausend Einzelfälle) individuell ausgewertet. Und die Ergebnisse sind dramatischer, als wir sie uns vorgestellt haben:

Knapp 30% aller Fälle weichen um mindestens 1 km/h vom vorgeworfenen Wert ab, vereinzelt sogar mehr als die Verkehrsfehlergrenze. Ein Drittel dieser Fälle ist überhaupt nicht verwertbar.

Während also PTB und Gerätehersteller weiterhin darauf beharren, dass Messfehler im Betrieb nicht vorkommen, bzw. geräteintern aussortiert würden, steht nun für den ES 3.0 fest: In noch nicht einmal 70% aller Fälle ist der Tatvorwurf korrekt.

Für die meisten anderen Messgeräte in Deutschland können wir keine vergleichbare Studie durchführen, da dort die Rohmessdaten nicht abgespeichert werden. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum bei den anderen Geräten nicht auch Fehlmessungen vorkommen sollten, in welcher Größenordnung auch immer. Ganz im Gegenteil, aus technischer und wissenschaftlicher Sicht spricht einiges dafür, dass auch bei allen anderen Messgeräten signifikante Quoten von Fehlmessungen feststellbar wären, könnte man Einzelmessungen anhand von Rohmessdaten nachträglich prüfen.

Wenn man endlich akzeptieren würde, dass Fehlmessungen – auch unter Einhaltung der Nennbetriebsbedingungen und der Vorgaben der Gebrauchsanweisung – die Realität sind, und zwar in einer nicht vernachlässigbaren Größenordnung, dann kann es vom BVerfG auch nur eine Vorgabe an PTB und Hersteller geben: Speichert endlich alle Rohmessdaten ab und macht sie zugänglich.

Bonus für alle erstinstanzlichen Gerichte?

Sind die Rohmessdaten bereits im Vorfeld prüfbar (und dass sie dann auch im Vorfeld zu prüfen sind, hat das BVerfG ja bereits entscheiden), kann die Behörde den Bußgeldbescheid direkt entsprechend anpassen oder zurücknehmen. Und nur noch die wenigsten Fälle werden tatsächlich bis in die Hauptverhandlung gehen.

Unsere Studie wird derzeit für eine Veröffentlichung ausgearbeitet, folgen Sie uns gerne auf LinkedIn, um die Veröffentlichung auf keinen Fall zu verpassen.

 

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