20.02.2025
Bestimmungsgemäße Verwendung und Prozesstaktik


Seit einiger Zeit liegt unseren Seminaren, aber auch der Arbeit in unseren Gutachten eine dreiteilige Strategie zu Grunde.

Beim ersten Schritt geht es um das „Sammeln von Beweismitteln“. Die Reaktion auf diesen Schritt mag ein „Ist doch klar“ sein, aber nicht nur ist das Sammeln der Beweismittel immer noch problematisch (Stichwort Messreihe/Verwendernachweise). Es ist auch der Weg, der von verfassungsrechtlicher Seite genau aufgezeigt wird.

Das BVerfG hat klargestellt: Du, liebe Verteidigung, bekommst alles, wovon (auch nur theoretischerweise) du ausgehen darfst, dass es dir beim Auffinden von Messfehlern helfen könnte. ABER: Du musst dich an die vorgeschriebene Verfahrensweise halten.

Und die lautet: So früh im Verfahren wie irgendwie möglich.

Daher kommt der Anforderung der Beweismittel (spätestens) seit dem Urteil des BVerfG eine enorme prozesstaktische Bedeutung zu. Denn werden konkrete Beweismittel erst in der Hauptverhandlung per Beweisantrag verlangt, bewegt sich das Amtsgericht im verfassungsrechtlichen Soll, wenn es einen solchen Antrag als verspätet ablehnt.

Die Anforderung der Beweismittel ist darüber hinaus differenziert zu betrachten. Sie muss zwangsläufig zweiteilig ablaufen (denn bei über 50.000 Verfahren, die über unsere Tische gelaufen sind, haben wir noch nie eine vollständige Ermittlungsakte erlebt).

Zunächst wird die Akteneinsicht bei der Behörde beantragt. Das Übersandte muss sondiert werden, was fehlt (es fehlt immer (!) etwas) muss „nach“gefordert werden. Diese „Nachforderung“ ist es, die den meisten Kanzleien Schwierigkeiten bereitet.

Denn einmal muss die Verteidigung sehr präzise feststellen, welche Beweismittel im konkreten Messverfahren benötigt werden, dann ob die übersandten Teile vollständig sind und welche konkreten Beweismittel fehlen. Und bei der tatsächlichen Nachforderung müssen die fehlenden Beweismittel nicht nur genau bezeichnet werden, es drängt sich daneben auf, bei jedem Beweismittel kurz (!) zu erläutern, warum es überhaupt benötigt wird (um eben den Anforderungen der Verfassungsrechtsprechung zu genügen).

Die Arbeit hört aber mit dieser „Nachforderung“ nicht auf und der prozesstaktische Vorteil dieser Verfahrensweise ergibt sich erst aus den nächsten zwingenden Schritten.

Die Antwort der Behörden auf Nachforderungen ist in aller Regel ebenso mangelhaft wie die ursprüngliche Übersendung der Ermittlungsakte. Das zwingt die Verteidigung zu einem weiteren Schritt: dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG.

Dieser sollte den gleichen Ansprüchen genügen, die wir gerade für die „Nachforderung“ von Beweismitteln skizziert haben. Erst wenn alle drei Schritte erfolgt sind (Ermittlungsakte/Nachforderung/62er Antrag), hat die Verteidigung alles Notwendige getan, um den Vorgaben des BVerfG nachzukommen, so dass auch noch ein entsprechender Antrag in der Hauptverhandlung statthaft wäre.

Soweit die ohnehin notwendige „Pflicht“ der Verteidigung.

Kommen wir zum prozesstaktischen Sahnehäubchen: Dass nicht nur Behörden, sondern auch die Mühlen der Justiz langsam mahlen, birgt für die Verteidigung den entscheidenden Vorteil. Nach aktueller Rechtsprechung (KG Berlin, Beschl. v. 14.06.2023, Az.3 ORbs 108/23) hemmt nämlich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Verfolgungsverjährung gerade nicht.

Es bestehen also gute Chancen, durch die ohnehin verfassungsgerichtlich vorgeschriebene Vorgehensweise auch prozesstaktische Vorteile zu erlangen!

 

In unserer Onlineseminarereihe (Gesamtpaket bringt 15 Fortbildungsstunden nach FAO) stellen wir diese Verteidigungsstrategie ausführlich vor und legen sie unseren Ausführungen zu den Messgeräten zu Grunde.

 

Die „Nachforderung“ von Beweismitteln und Unterstützung beim Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist fester Bestandteil unseres Serviceangebots! Beauftragen Sie uns, entlasten Sie Ihre Kanzlei und machen Sie sich unsere Expertise auf diesem Gebiet zu Nutze! Einfach per Mail an gutachten@vut-verkehr.de