Ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02. Februar 2023 (Akt.: 3 C 14.21) zur Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage im Zusammenhang mit Rohmessdaten im korrespondierenden OWi-Verfahren zeigt wieder einmal deutlich auf:
Hersteller und PTB täuschen (erfolgreich und bewusst) die deutsche Justiz (und vermutlich auch Exekutive).
Das BVerwG orientiert sich in seinen Entscheidungsgründen zwar weitestgehend am Urteil des BVerfG (Akt.: 2 BvR 1616/18) vom 12. November 2020, jedoch hatte dieses – unerfreulicherweise – die entscheidende Frage offen gelassen: Braucht ein standardisiertes Messverfahren zwingend die Abspeicherung von Rohmessdaten?
Auch das BVerwG vermied es in seinem Urteil zu dieser Frage Stellung zu beziehen, jedoch mit einer erschreckenden Begründung: Die Frage stelle sich nämlich im vorliegenden Fall überhaupt nicht, da ja ein Messgerät eingesetzt worden sei, welches die Rohmessdaten abspeichere. Zumindest habe das Berufungsgericht das festgestellt:
Im vorliegenden Verfahren bedarf das keiner Entscheidung. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat und die deshalb für die revisionsgerichtliche Überprüfung des angegriffenen Urteils bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), hat das verwendete Messgerät die für eine Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung erforderlichen Rohmessdaten gespeichert (UA S. 25).
Nun handelte es sich beim eingesetzten Messgerät allerdings um ein PoliScan FM1 der Fa. Vitronic, eingesetzt in der Softwareversion 4.4.5. Es ist bekannt und erwiesen, dass dieses Messgerät, egal in welcher Software- oder Geräteversion, keine Rohmessdaten abspeichert.
Geht man den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts nach, findet man schnell die betreffende Passage, die im größeren Zusammenhang an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten ist:
[…] hat der Hersteller des Messgeräts unter dem 22.4.2021 und der Beifügung von Informationsmaterialien1 mitgeteilt, Geräte mit dieser Softwareversion stellten zu jedem Messvorgang Informationen zur Verfügung, die im Sinne der Entscheidung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs als Rohmessdaten anerkannt seien, wobei mit Hilfe dieser Informationen ein jeder Messvorgang grundsätzlich überprüfbar sei […]
Diese Behauptung (die im Nachgang auch vom Polizeipräsidium Rheinland-Pfalz nachgeplappert wird) ist gleich aus mehreren Gründen nicht hinnehmbar:
Sie ist wissenschaftlich widerlegt: Der Hersteller hat gegenüber anderen Gerichten selbst erklärt, dass das Messgerät keine Rohmessdaten speichert
Sie widerspricht den im Urteil des Berufungsgerichts mitgesandten Infomaterialien , dass eine Prüfung anhand von Rohmessdaten keinen Erkenntnisgewinn liefere. Statt vieler weiterer genügt ein Zitat aus der Veröffentlichung des BVST vom 15.01.2021, dass Rohmessdaten »ungeeignet sind, die Richtigkeit eines von einem Geschwindigkeitsmessgerät angezeigten Messwerts zu überprüfen«
Sie widerspricht dem Gebaren und nachweislichen Verhalten und Anweisungen der PTB an Gerätehersteller in einem andern Fall
Im Vorgriff auf weitere in Kürze erscheinende Veröffentlichungen daher auch an dieser Stelle noch einmal (siehe auch hier, hier und hier):
Die Messwertbildung einer jeden (!) Geschwindigkeits»messung« besteht aus drei Schritten:
1. Datenerhebung
2. Datenselektion
3. Berechnung
Dabei wird Schritt 2 sowohl von jedem Hersteller als auch von der PTB immer verschwiegen oder übergangen. Rohmessdaten können nur (schon nach dem Wortsinn) das Ergebnis von Schritt Nummer 1 sein, nämlich alle Daten, die die Hardwaresensoren des Messgeräts bei der physischen Detektion eines Messvorgangs generieren und so die Grundlage der weiteren Verarbeitung des Messgeräts bilden.
Wenn Hersteller und PTB von »Rohmessdaten« sprechen, meinen sie hingegen immer das Ergebnis von Schritt 2 (ohne diesen zu benennen), also eine nur noch geringe Menge ausgesuchter Daten, die das Messgerät für Schritt 3 heranzieht.
Und selbst wenn man annähme, dass PoliScan FM1 in der Softwareversion 4.4.5 Rohmessdaten abspeichert und allein diese Daten nach Sichtweise des BVerwG (und wohl auch des BVerfG) den Unterschied machten, zwischen einem »fairen Messverfahren« im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, und einem nicht von der Verfassung gedeckten Verfahren, wäre zumindest für die Softwareversion 4.4.9 auch jenseits des letzten Zweifels klar, dass Hersteller und PTB aktive Beweismittelvernichtung betreiben. Denn dort finden sich in den vermeintlichen »Rohmessdaten« nur solche Daten, die manipuliert sein müssen.
Wirkliche Rohmessdaten finden sich derzeit ausschließlich beim Messgerät ES 3.0, wo sie regelmäßig als Beweis für Fehlmessungen (teils sogar außerhalb der Verkehrsfehlergrenze) dienen – und das im Übrigen nach unten und nach oben. Es ist daher mitnichten so, dass Rohmessdaten der Verkehrsüberwachung „schaden“ würden, sondern sie dienen ausschließlich und allein dazu, den wahren und echten Wert ermitteln zu können.
Sie benötigen Hilfe, um diese Argumentation in den Gerichtsaal zu tragen? Sprechen Sie uns an! Insbesondere bei Messgeräten der PoliScan-Reihe gibt es auch ohne das Vorhandensein von Rohmessdaten neue Anknüpfungspunkte für etwaige Messfehler (Stichworte: Hindernisse im Strahlengang und Reflektoreneinfluss auf den Auswerterahmen).