Das Jahr neigt sich dem Ende, Zeit zurückzublicken, was in den letzten 12 Monaten passiert ist, welche Entwicklungen es gab und welche Punkte es zu beachten gilt, wenn man in OWi–Sachen verteidigt.
Vor ziemlich genau zwölf Monaten haben wir unsere Rohmessdatenstudie am Messgerät ES3.0 veröffentlicht. Die Ergebnisse sprechen für sich: Knapp ein Drittel aller Messungen führt nachweislich zu einer (mindestens 1 km/h) zu hohen Beanzeigung. Inhaltlich ist dieser Studie niemand entgegengetreten, insofern bleibt – auch wenn das Thema ein wenig in der Versenkung verschwunden scheint – die Bedeutung der Rohmessdaten fundamental für ein faires (weil prüfbares) OWi-Verfahren. Das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 14.03.2024, Az.: 1 Ss (OWi) 7/24) hat noch einmal festgestellt, dass insofern die in Deutschland bislang leider einmalige Entscheidung des VerfGH Saarland (Beschl. v. 05.07.2019, Az.: Lv7/17) immer noch gilt, das BVerfG hat es leider verpasst nachzuziehen, insbesondere aber auch nicht anders geurteilt. Weitere Verfahren sind dort anhängig, so dass es umso wichtiger ist, die Bedeutung und Aktualität dieses Themas hochzuhalten.
Die Willkür der PTB hat sich auch in diesem Jahr deutlich gezeigt und wird ab dem Jahreswechsel einen völlig neuen Anstrich bekommen (dazu später mehr). Aber zunächst geht es um die Auslegung gesetzlicher Regelungen, genauer des § 33 MessEG und der dort normierten bestimmungsgemäßen Verwendung. Denn während die PTB einer solchen beim LTI20/20 ganz besondere Bedeutung beimisst, die Verwertbarkeit eines Messergebnisses explizit an die Einhaltung knüpft, soll diese Gesetzesvorgabe bei anderen Messgeräten egal sein (man hat ja schließlich alles geprüft). Hindernisse, beim PoliScan etwa, obwohl ausdrücklich ausgeschlossen in der Gebrauchsanweisung, sollen keine Rolle spielen.
Und gleich nochmal PTB, diesmal zu Stufenprofilmessungen. Denn auch diese seien wirksam ausgeschlossen, hat ja der „Über-alles-Test“ ergeben (Wieso gibt es eigentlich noch andere Tests, wenn der „Über-alles-Test“ alles so wirksam prüfen kann?). Dass Stufenprofilmessungen dennoch ein Problem sind, hat nicht nur die Praxis bewiesen (und dem XV3 den Rest gegeben), sondern die PTB ja selbst zu ihren „härteren“ Vorgaben in der Gebrauchsanweisung des LTI20/20 veranlasst. Denn der dort „problematische“ Abgleiteffekt (gilt übrigens auch für alle anderen Lasermessverfahren) ist vom verursachenden physikalischen Prinzip her nichts anderes: Die vermeintliche Annäherung ans Messgerät („Geschwindigkeit“) stammt nicht von der Bewegung des Objekts, sondern daher, dass man den Reflektorpunkt wechselt, und Punkt 1 näher am Messgerät ist als Punkt 2.
Die unterschiedliche Nützlichkeit von Gutachten im OWi–Bereich hat sich auch noch einmal offenbart. Und hier geht es nicht um die bloß als Gutachten bezeichneten „Vordrucke“, die pauschal für 500€ und weniger verscherbelt werden. Es geht um den grundsätzlichen Ansatz bei der Überprüfung einer OWi–Messung. Immer wieder fällt auf, dass die meisten „technischen Gutachten“ auf rein technischem Wege versuchen, einen konkreten Fehler bei einer konkreten Messung zu finden. Und dieser Ansatz wäre auch eigentlich unproblematisch, rein praktisch ist er aber zum Scheitern verurteilt (Stichwort: fehlende Rohmessdaten). Was also tun? Sich an den gesetzlichen Vorgaben für eine korrekte Messung entlang bewegen und die bestimmungsgemäße Verwendung abprüfen. Denn findet man Hinweise (und in aller Regel findet man sogar Beweise) auf nichtbestimmungsgemäße Verwendung, dann ist das von MessEG und MessEV gewährte Vertrauen ins Messergebnis dahin.
Bezüglich der allgemein bekannten Probleme mit Rechtsschutzversicherungen bleibt für 2024 zunächst festzustellen, dass sich der erschreckende Trend von illegalen Abmachungen zwischen Sachverständigen und Versicherungen fortsetzt. Hier haben wir rechtliche Schritte bereits eingeleitet, und zwar in unterschiedlichen Bereichen dieses komplexen Problemfeldes. Einen Triumph haben wir in 2024 schon erstritten: Stundensatzkürzungen durch die Versicherer wurde eine Absage erteilt (AG Crailsheim, Urt. v. 12.09.2024, Az.: 4 3 C 248/22). Und bezüglich aller anderen Probleme haben wir unser Serviceangebot erweitert: Sie schicken uns Ihren Auftrag und wir prüfen kostenneutral und rasch, ob wir für Sie tätig werden können. Sehen wir ein Problem, kommen wir auf Sie zu. Werden wir tätig, geht das Kostenrisiko mit uns nach Hause! Egal, welche Weisung von der RSV erteilt wurde.
Erfreuliche Entwicklungen gibt es dann bezüglich der Messreihenauswertungen (insbesondere bei PoliScan) zu vermelden. Natürlich stecken auch in diesen Dateien nur noch wenige Restdaten, aber je mehr wir davon prüfen können, desto mehr verdichten sich die Informationen, die wir aus den Messreihenauswertungen ableiten können. Übrigens ein weiterer Beleg für die Richtigkeit des VerfGH Saarland Urteils, das konkret dazu ausführt:
„Aber auch ohne die Datensätze der Konformitätsprüfung und des geräteinternen Algorithmus könne sich bei durch den Sachverständigen erfolgter Beschaffung mehrerer Messdaten ein zuverlässiger Algorithmus entwickeln lassen.“
Ein durchaus ereignisreiches Jahr also, für das zusammenfassend gilt: PTB, Versicherungen, Hersteller, Behörden bleiben sich treu und versuchen mit allen Mitteln, eine wirksame Verteidigung im OWi–Verfahren zu erschweren.
Aber eine erfolgreiche Verteidigung ist nach wie vor möglich!
Es braucht den Blick für Details, eine absolut saubere und klar an den Regeln (MessEG, MessEV, Gebrauchsanweisungen, BVerfG Urteil, ect.) ausgerichtete Vorgehensweise, fundierte Vorarbeit (am besten mit Hilfe eines Gutachtens) und einen geschulten Auftritt vor Gericht.
Gerade zum letzten Punkt dürfen wir auf unser Online Seminar Angebot für 2025 hinweisen: Wir zeigen Ihnen in der Veranstaltungsreihe am MessEG ausgerichtet auf, wo die Verstöße gegen die bestimmungsgemäße Verwendung zu finden sind, und wie Sie diese argumentativ einsetzen.
Das Jahr 2025 verspricht noch spannender zu werden und wir melden uns im Januar bei Ihnen mit einem ausführlichen Ausblick.
Dann wird es um die auslaufenden Übergangsvorschriften für alte Gerätezulassungen gehen, die dann ausschließlich private Rolle der PTB im Verfahren, weitere Erkenntnisse aus unseren Messreihenauswertungen und ein brandneues LegalTech Angebot für Rechtsanwaltskanzleien im OWi-Bereich.